Betreff
Windkraftplanung in der Gemeinde Nordkirchen
Vorlage
045/2023
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

1.    Der Ausschuss nimmt den von der Verwaltung in Zusammenarbeit mit dem Planungsbüro NWP und der Kanzlei Wolter Hoppenberg erarbeiteten Verfahrensvorschlag zur Kenntnis.

 

2.    Der Bürgermeister wird beauftragt, Gespräche mit verschiedenen Eigentümern von Grundstücken zu führen, die für die Nutzung der Windenergie geeignet sind, und mit diesen die Realisierbarkeit von Windkraftprojekten in Nordkirchen zu besprechen.

 

3.    Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass der Flächennutzungsplan der Gemeinde aufgrund eines Fehlers bei der seinerzeitigen Veröffentlichung der Plangenehmigung und wegen bisher nicht erfolgter Anpassung an den übergeordneten Regionalplan (§ 1 Absatz 4 BauGB) im Rahmen der Windenergieplanung keine Ausschlusswirkung nach § 35 Absatz 3 des Baugesetzbuches mehr entfaltet.

 

4.    Der Rat der Gemeinde bekennt sich zur Entwicklung der in der Vorlage aufgeführten denkbaren Standorte für Windkraftanlagen in der Gemeinde.


Sachverhalt:

 

Im Oktober 2021 hat die Verwaltung auf der Grundlage der Beschlüsse des KUGA und des BauA vom April 2021 die frühzeitige Beteiligung der Träger öffentlicher Belange im Rahmen der Aufstellung des sachlichen Teilflächennutzungsplanes „Windenergie“ durchgeführt.

 

Es liegen verschiedene Stellungnahmen hierzu vor, die inhaltlich zum Teil jedoch schon wieder überholt sind auf Basis der Beschlüsse des Bundestages zur Umsetzung des „Wind-an-Land-Gesetzes“ und weiterer ausfüllender Vorschriften.

 

Hierüber hat die Verwaltung in der Sitzung des KUGA am 20.10.2022 berichtet.

Als Folge des Energiemangels aufgrund fehlender Gaslieferungen aus Russland, daraus resultierender erheblicher Preissteigerungen und zur Umsetzung der Ziele zur CO2-sparenden Energiegewinnung soll auch der Ausbau der Windenergie bundesweit beschleunigt werden. Hierzu ist u.a. das „Wind-an Land-Gesetz durch den Bundestrag verabschiedet worden, welches den Ausbau der Windkraft beschleunigen soll.

 

Auch die Gemeinde Nordkirchen ist den Zielen des Klimaschutzes und damit der CO2-Einsparung verpflichtet, dokumentiert im vom Rat der Gemeinde beschlossenen Klimaschutzkonzept.

 

Gleichzeitig hat die Gemeinde aber nur aktive Gestaltungsmöglichkeiten bei einigen wenn auch wichtigen Aspekten dieser Aufgabe:

 

·         Energetische Gebäudesanierung und möglichst klimagerechtes Bauen können wir direkt nur bei Gemeindegebäuden umsetzen (nachträgliche klimagerechte Umbauten, Fotovoltaikanlagen auf allen Gemeindegebäuden, Prüfung von Energieverbünden zwischen Gebäuden, Bürgersolaranlage Gesamtschule, Beschränkung auf unbedingt notwendige Neubauten oder Erweiterungen, neue Mobilitätsangebote).

·         Private Eigentümer entscheiden im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben selbst, ob und wie sie die Situation bei ihren eigenen Immobilien verbessern.

·         Planerische und vertragliche Vorgaben in den Neubaugebieten hat der Rat zuletzt beschlossen, dies soll auch im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten fortgeführt werden.

·         Die Gemeinde bietet im Zusammenhang mit anderen Trägern auch weiterhin vielfache Beratungsangebote an. Hierauf wird auch fortlaufend hingewiesen.

 

Gestaltungsmöglichkeiten bei der klimagerechten Energiegewinnung hat die Gemeinde insbesondere im Planungsbereich und durch die Unterstützung von Beratungsangeboten.

 

Das fängt bereits bei dem Eindruck an, den die Gemeinde – Rat und Verwaltung – in diesem Themengebiet in der Öffentlichkeit vermitteln. Hier muss der berechtigte Eindruck entstehen, dass die Gemeinde vielen Ideen und Maßnahmen in Wirtschaft und Gesellschaft in Nordkirchen positiv gegenübersteht und deren Prüfung zumindest offensiv begleitet.

 

Auf dem Weg zur Klimaneutralität der Gemeinde und zur langfristigen Sicherung der Versorgung mit Energie muss der Ausbau der erneuerbaren Energien für die Gemeinde Nordkirchen eine hohe Priorität genießen. Dieses wurde zuletzt in unserem Klimaschutzkonzept bestätigt. Danach liegen die größten THG-Einsparpotentiale für die Gemeinde Nordkirchen unter anderem in der Stromerzeugung mittels Windkraftanlagen.

 

Möglichkeiten der klimagerechten Energieerzeugung bestehen bei uns im flachen Binnenland realistisch nur bei der Fotovoltaik, auch Freiflächenfotovoltaik, der Geothermie, begrenzt bei der Nutzung von Biogas und bei der Windkraft. Die Windenergie spielt eine Schlüsselrolle beim Umstieg auf eine nachhaltige umwelt- und klimaschonende Stromversorgung. Windenergieanlagen produzieren schon heute günstigeren Strom als fossile Kraftwerksneubauten und haben eine hervorragende Ökobilanz. Ein modernes Windrad hat eine Leistung von 3 bis 4 Megawatt und produziert jährlich Strom für rund 2.000 Haushalte.

 

Bundesrechtlich sind zum schnelleren Ausbau der Windkraft konkrete Flächenbeiträge für alle Bundesländer vorgegeben worden (NRW 1,8 % der Landesfläche), die bis 2032 zunächst planerisch zu realisieren sind. Unter anderem hierzu sind Änderungsverfahren zum Landesentwicklungsplan und zum Regionalplan eingeleitet worden um diese Ziele planerisch zu erreichen.

 

Bei einer Verfehlung des Zieles werden die Planungsmöglichkeiten der Regionalplanung und auch der Kommunen weiter eingeschränkt.

 

In NRW ist vorgesehen, in den Regionalplänen Windenergiegebiete auszuweisen und so den Nachweis zu erbringen, dass der Flächenbeitragswert für das Land erreicht worden ist. Dazu werden im Entwurf des Regionalplanes die Flächen ausgewiesen, die bisher schon regionalplanerisch vorgesehen sind (in Nordkirchen der Bereich östlich des Golfplatzes) und die in den Flächennutzungsplänen der Gemeinden zusätzlich dargestellten Gebiete. Das ist in Nordkirchen die Fläche in der Osterbauerschaft zwischen Südkirchen und Capelle.

 

Die letztgenannte Fläche in Südkirchen ist nach allen inzwischen gesammelten Erkenntnissen jedoch bis auf weiteres nicht nutzbar, da die bestehende Flugsicherungseinrichtung hier den Bau von Windenergieanlagen derzeit unmöglich macht.

 

Der Flächennutzungsplan der Gemeinde ist inzwischen außerdem in Bezug auf die gewünschte Ausschlusswirkung an anderen Stellen als im dargestellten Windvorranggebiet als nicht rechtsgültig anzusehen wegen eines Mangels in der seinerzeitigen Bekanntmachung dieses Planes. Durch obergerichtliche Entscheidung aus späterer Zeit ist entschieden worden, dass alle Flächennutzungspläne bzw. Planänderungen, die in ihrer Bekanntmachung nicht noch einmal die wesentlichen Punkte der Abwägung für die Ausweisung von Windflächen benannt haben, als rechtlich nicht bindend anzusehen sind.

 

Darüber hinaus hat die Gemeinde seit langem eine Anpassungsverpflichtung ihres Flächennutzungsplanes an die Vorgaben der Regionalplanung nach § 1 Absatz 4 des Baugesetzbuches, d.h., das Windgebiet östlich des Golfplatzes aus der Regionalplanung ist auch im Flächennutzungsplan darzustellen.

 

Damit hat der FNP der Gemeinde auch nicht die steuernde Wirkung nach § 35 Absatz 3, Satz 3 des BauGB für die Anlage von Windkraftanlagen, die zu schaffen durch die Ausweisung eines Windvorranggebietes beabsichtigt war. In Nordkirchen sind bereits jetzt Windkraftanlagen faktisch im gesamten Außenbereich der Gemeinde privilegiert nach § 35, Absatz 1, Ziffer 5, des Baugesetzbuches. Eine rechtswidrige Verweigerung des Einvernehmens zu ihrem Bau könnte Schadenersatzansprüche nach sich ziehen.

 

Die Verwaltung bekennt sich weiterhin zum Ziel einer Nutzung der Windenergie auch in Nordkirchen bei einer gewünschten Steuerung der Standorte im gegebenen rechtlichen Rahmen.

 

Nach Feststellung des Erreichens des Flächenbeitragswertes durch den Regionalplan entfällt grundsätzlich die steuernde Ausschlusswirkung von bestehenden Konzentrationszonenplanungen im Flächennutzungsplan (soweit vorhanden). Die Regionalplanungsbehörde bei der Bezirksregierung Münster geht aufgrund des Entwurfes der Fortschreibung des Regionalplanes davon aus, dass dieser Flächenbeitragswert im Bereich der Bezirksregierung Münster erreicht ist. Windkraftanlagen sind dann ab der formellen Feststellung dieses Zustandes als „Sonstige Vorhaben“ nach § 35 Absatz 2 BauGB zu bewerten. Solche Vorhaben benötigen einen Bebauungsplan, wobei die Gemeinde frei entscheiden kann, ob sie für die jeweiligen Projekte eine Planung unterstützen und beschließen will oder auch nicht.

 

Werden die Flächenbeitragswerte zu den festgelegten Fristen nicht erreicht, treten folgende Sanktionen in Kraft:

 

Die Ausschlusswirkung von bestehenden Konzentrationszonenplanungen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entfällt, womit die bisherige Steuerungswirkung von Flächennutzungsplänen mit Windkonzentrationszonen aufgehoben wird. Weiterhin bleibt die Privilegierung von Windenergieanlagen im gesamten Außenbereich bestehen. Dies hat zur Folge, dass eine räumliche Steuerung der Windenergienutzung nicht mehr existiert.

Nach einem Gesetzesbeschluss des Landtages NRW von Anfang März 2023 gilt der 1.000-m-Abstand von Windenergieanlagen zu Wohnhäusern in Wohngebieten grundsätzlich weiter, ist aber durch eine Bebauungsplanung der Gemeinde auch in dieser Abstandszone abänderbar.

 

Das Planungsbüro NWP Oldenburg, Herr Aufleger, wurde beauftragt, den der bisherigen Planung zugrunde liegenden Kriterienkatalog auf der Basis der realisierten und angekündigten Gesetzesänderungen zu überarbeiten, z.B. ist allgemein der Schutzstatus der Landschaftsschutzflächen (nicht der Naturschutzflächen) entfallen, was eine größere Flächenausweisung zulässt. Herr Aufleger hat diese Arbeitsergebnisse, die noch weiter verfeinert werden müssten, vorgestellt. Am Ende werden im Standortkonzept Bereiche definiert, die grundsätzlich für die Windkraftnutzung aus Sicht der Gemeinde in Frage kommen.

 

In einem Gespräch mit der Bezirksregierung Münster am 22.12.2022 wurde der Gemeinde (wie allen anderen Gemeinden auch) empfohlen, zunächst keine weiteren Änderungen des Flächennutzungsplanes zu betreiben, da hierfür im Moment noch wesentliche Vorgaben fehlen, die zwar diskutiert werden aber noch nicht beschlossen sind. 

 

Es wurde empfohlen, die Feststellung des erreichten Flächenbeitragswertes im Regionalplan abzuwarten und bereits im Vorfeld mit den jeweiligen Investoren über die Ausweisung von Sondergebieten in vorhabenbezogenen Bebauungsplänen zu verhandeln. Die Gemeinde ist nicht gehindert, bereits im Vorfeld der Feststellung des Flächenbeitragswertes mit interessierten Investoren die jeweiligen Projekte inhaltlich zu erarbeiten und die aus Sicht der Gemeinde notwendigen Bedingungen zu verhandeln.

 

Die Verwaltung schlägt vor, diesen Weg zu gehen und hat bereits mit einigen Grundstückseigentümern bzw. mit Investoren, wie z.B. benachbarten Stadtwerken, einzelne Gespräche geführt.

 

Dabei sollten aus Sicht der Verwaltung für jedes Projekt in Nordkirchen folgende Voraussetzungen erfüllt und vertraglich gesichert sein:

 

1.    Alle nachbarschützenden Regeln etwa zum Lärmschutz, zum Schattenschlag, zur optisch bedrängenden Wirkung, artenschutzfachliche Belange und weitere Kriterien werden eingehalten und die Genehmigungsfähigkeit im immissionsschutzrechtlichen Verfahren ist gegeben.

 

2.    Der Projektträger trägt alle Kosten der Flächennutzungsplanänderung und des Bebauungsplanverfahrens mit den zugehörigen Fachgutachten.

 

3.    Die jeweiligen Vorhaben werden durch eine Gesellschaft mit Sitz in Nordkirchen realisiert, so dass die Gewerbesteuer in der Gemeinde bleibt. Alternativ ist über eine Gewerbesteuerabtretung bei Sitz der Gesellschaft in einem anderen Ort das gleiche Ergebnis zu erzielen.

 

4.    Der Projektträger ermöglicht eine finanzielle Bürgerbeteiligung und eine Beteiligung der Gemeinde an der Investition.

 

 

In Nordkirchen werden im Moment, soweit für die Verwaltung erkennbar, von Grundstückseigentümern in Verbindung mit Planungsgesellschaften bzw. Stadtwerken folgende Vorhaben geprüft:

 

1.    Fa. Enertrag östlich der Münsterstraße in Höhe des Golfplatzes - Typ „Enercon“, 199 m Gesamthöhe. Nach mündlicher Auskunft der Immissionsschutzdienststelle beim Kreis Coesfeld liegen die Voraussetzungen für einen Genehmigungsbescheid jetzt vor.

 

Der Antragsteller prüft z.Zt. nach eigenem Bekunden, ob die Planung für eine ursprünglich bereits vorgesehene zweite Anlage weiter nördlich wieder aufgenommen wird.

 

2.    Fa. Enertrag südlich des Wirtschaftsweges „Gorfelds Placken“ zwischen Nordkirchen und Capelle - Typ Nordex, 199 m Gesamthöhe. Auf Veranlassung des Unternehmens hat ein Scoping-Termin bei der Kreisverwaltung stattgefunden, in dem die planungsrechtlichen Voraussetzungen und der Umfang der vorzulegenden Unterlagen besprochen wurden.

 

3.    Eigentümergemeinschaft „Berger“, voraussichtlich 2 Anlagen nördlich der K 2 – Selmer Straße –

 

4.    Eigentümergemeinschaft „Osterbauerschaft“ in Verbindung mit den Stadtwerken Münster im Bereich der Flugleitstelle am Wirtschaftsweg „Horst“. Nähere Einzelheiten sind der Verwaltung bisher nicht bekannt. Es bleibt das Problem, dass die Flugleitstelle bisher eine Ausschlusswirkung hat.

 

5.    Landwirtschaftlicher Eigentümer in Verbindung mit einer Planungsgesellschaft im Bereich der K 3 – Alte Ascheberger Straße – im Grenzbereich zu Ascheberg. Der Grundstückseigentümer verhandelt nach eigenem Bekunden mit einer Planungsgesellschaft.

 

6.    Nordkirchener Privatinteressenten im Bereich östlich und nördlich der Klär-anlage Nordkirchen. Es liegen die mündlichen Zusagen von 2 Grundstückseigentümern zur Überplanung der eigenen Grundstücke für maximal 2 Windenergieanlagen vor.

 

7.    Eigentümer in der Bauerschaft Piekenbrock.

 

 

Es ist schwer zu beurteilen, welches dieser Projekte sich unabhängig von der planungsrechtlichen Zulässigkeit bei näherer Prüfung durch die Interessenten als wirtschaftlich darstellt und dann auch tatsächlich realisiert werden würde. Dabei spielen sowohl

 

·         die gestiegenen Planungs- und Herstellungskosten der jeweiligen Anlage,

·         die Kosten eines Pachtvertrages über die für den Standort und die Zuwegung benötigte Fläche, 

·         die technische Möglichkeit und die Kosten des Netzanschlusses

·         und die (erfolgreiche) Teilnahme am dann folgenden Ausschreibungsverfahren der Bundesnetzagentur eine Rolle.

 

All diese Faktoren können aber zu Beginn eines Planungsprozesses noch nicht beantwortet werden.

 

Die Verwaltung hat zur Sitzung des KUGA Herrn Prof. Dr.-Ing. Robert Bach von der Fachhochschule Südwestfalen in Siegen zu einem Kurzvortrag zur Entwicklung der künftigen Energiepolitik und Energiewirtschaft aus Sicht der Wissenschaft eingeladen. Herr Bach ist Bürger der Gemeinde und als solcher auch an einer Entwicklung in Nordkirchen interessiert.


Finanzielle Auswirkungen:

 

 

 

Keine

 

 

 

 

Ertrag / Einzahlung

 

 

 

 

Aufwand / Auszahlung

 

 

 

 

Verfügbare Mittel im Produkt / Budget

 

 

 

 

Über-/außerplanmäßig

 

 

 

 

 

Deckung im laufenden Haushaltsjahr durch

 

 

Anmerkungen: