Betreff
Planungsangelegenheiten
Windkraftplanungen in der Gemeinde Nordkirchen
Vorlage
001/2021
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

1.    Das gemeindliche Einvernehmen zur Errichtung von 2 Windenegieanlagen in der Bauernschaft Piekenbrock durch die Firma Enertrag, Dauerthal, wird nicht erteilt.

2.    Der Bürgermeister wird beauftragt, hilfsweise die Zurückstellung des Baugesuches nach § 15 Absatz 3 des Baugesetzbuches beim Kreis Coesfeld für die Dauer eines Jahres zu beantragen.

3.    Der Bürgermeister wird beauftragt, zusammen mit dem Planungsbüro NWP das begonnene Standortkonzept für Windkraftanlagen als Grundlage für einen sachlichen Teilflächennutzungsplan „Windenergie“ der Gemeinde Nordkirchen weiter auszuarbeiten und dem Bauausschuss vorzulegen.

 


Sachverhalt:

 

Die Fa. Enertrag AG, Dauerthal, hat beim Kreis Coesfeld einen Antrag auf Erteilung einer immissionschutzrechtlichen Genehmigung für 2 Windenergieanlagen östlich des Golfplatzes und er Kreisstraße 2 in der Bauerschaft Piekenbrock gestellt. Die Standorte sind in dem beiliegenden Übersichtsplan (Anlage 1) dargestellt.

 

Es handelt sich um 2 Enercon-Windanlagen Typ E-138 EP 3 mit einer Nabenhöhen von je 130,80 m, einer Gesamthöhe von 199,90 m und einer Leistung von je 4.200 kW.

 

Die Gemeinde Nordkirchen ist aufgefordert, innerhalb von 2 Monaten hierzu Stellung zu beziehen und über die Frage des gemeindlichen Einvernehmens nach 5 36 des Baugesetzbuches zu entscheiden.

 

Die Antragsunterlagen liegen gleichzeitig vom 04.01.2021 bis zum 03.02.2021 u.a. im Rathaus Nordkirchen zu jedermanns Einsicht aus. Die Unterlagen sind außerdem auf der homepage der Kreisverwaltung Coesfeld unter http://umwelt.kreis-coesfeld.de einsehbar.

Einwendungen gegen das Vorhaben können vom 04.01.2021 bis einschließlich zum 17.02.2021 beim Kreis Coesfeld oder der Gemeinde vorgebracht werden.

 

Das Vorhaben ist in der Ratssitzung am 17.12.2020 vorgestellt worden. Die Ratsmitglieder und sachkundigen Bürger des Bauausschusses haben per mail eine Kurzbeschreibung des Vorhabens erhalten.

 

Nach § 35 Absatz 1 Ziffer 5 BauGB sind Windkraftanlagen grundsätzlich privilegierte Vorhaben im Außenbereich einer Gemeinde und daher zu genehmigen, wenn die ausreichende Erschließung gesichert ist und keine öffentlichen Belange entgegenstehen.

 

Ob etwa Belange des Natur- und Artenschutzes, der Belastung der Nachbarn durch Schall oder Schattenschlag dem Vorhaben entgegenstehen, ist von den jeweils verantwortlichen Fachbehörden zu prüfen.

 

Die planungsrechtliche Prüfung des Vorhabens ist Aufgabe der Gemeinde Nordkirchen. Nach dem maßgeblichen aktuellen Flächennutzungsplan der Gemeinde handelt es sich um ein Grundstück im Außenbereich der Gemeinde mit der Darstellung „Fläche für Land- und Forstwirtschaft". Hierfür gilt grundsätzlich die oben erwähnte Privilegierung für die Nutzung der Windenergie.

 

Die Gemeinde hat zur Steuerung einer nicht gewollten vielfachen Errichtung von  Windenergieanlagen im Rahmen der Änderung des Flächennutzungsplanes eine „Konzentrationszone für Windenergieanlagen" in den Bauerschaften Beifang und Osterbauerschaft in Capelle und Südkirchen ausgewiesen, damals in Übereinstimmung mit der Regionalplanung der Bezirksregierung Münster, die hier ebenfalls eine Vorrangzone ausgewiesen hatte. Damit besteht aufgrund der aktuellen Darstellung im FNP zunächst ein planerisches Hindernis, an anderen Stellen des Gemeindegebietes Windenergieanlagen zu errichten.

In 2003 wurde zusätzlich für diesen Bereich der Bebauungsplan „Windvorranggebiet   Beifang/Osterbauerschaft“ aufgestellt.

 

Aufgrund dieser rechtlichen Beurteilung ist dann das Einvernehmen zu dem konkreten Antrag zu versagen.

 

In den vergangenen Jahren hat sich jedoch bei den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten im Rahmen verschiedener Klageverfahren die Rechtsauffassung gefestigt, dass die aus der ersten Ausbauwelle der Windenergie stammenden Konzentrationszonenplanungen sowohl methodisch als auch inhaltlich vielfach nicht mehr den heutigen Anforderungen entsprechen. Es werden häufig Mängel im Abwägungsvorgang und auch formelle Fehler im Bekanntmachungsverfahren dieser Pläne gerügt. In der Rechtsprechung sind die Anforderungen, die an diese Abwägung zu stellen sind, zunehmend präzisiert worden. Danach bedarf es für die Begründung einer Ausschlusswirkung im Sinne des § 35 Absatz 3, Satz 3 BauGB insbesondere eines schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzeptes, welches seinerzeit noch nicht erstellt wurde. Hier spielen etwa die harten und die weichen Tabuzonen eine Rolle, zwischen denen im damaligen Aufstellungsverfahren noch nicht unterschieden wurde.

 

Da die alte Flächennutzungsplanung der Gemeinde ebenfalls unter diesen Mängeln leidet, ist davon auszugehen, dass sie vor Gericht im Rahmen eines wahrscheinlichen Klageverfahrens bei Ablehnung des Antrages auf Errichtung der beiden Anlagen in Nordkirchen keinen Bestand hat. Hieraus könnten auch Schadensersatzforderungen wegen Ablehnung auf nicht ausreichender Rechtsgrundlage abgeleitet werden, die die Verwaltung vermeiden möchte.

 

Die Rechtsprechung hat außerdem in den vergangenen Jahren rückwirkend bemängelt, dass bei Flächennutzungsplänen, die ja bezogen auf die Windkraftnutzung unmittelbare Außenwirkung erzeugen, erhöhte Anforderungen an die Veröffentlichung der damaligen Genehmigung zu stellen waren. Die Gemeinde hätte bei der Veröffentlichung des Genehmigungstextes der Bezirksregierung deutlich machen müssen, dass der räumliche Geltungsbereich der Konzentrationszonenplanung nicht auf die Konzentrationszonen beschränkt ist, sondern sich wegen der Ausschlusswirkung gerade auf den übrigen Außenbereich der Gemeinde erstreckt. Dies ist in der Genehmigungsverfügung der Gemeinde nicht deutlich gemacht worden, so dass nach der gerade praktizierten obergerichtlichen Rechtsprechung, jetzt bestätigt durch Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, von einer Unwirksamkeit der Windkraftplanung wegen des Bekanntgabemangels auszugehen ist.

 

Inzwischen hat sich auch die Regionalplanung weiterentwickelt und geändert. Der Regionalplan Münsterland von 2014 in der Fassung von 2018 weist jetzt einen „Windenergiebereich" nicht mehr in Südkirchen/CapelIe sondern in Nordkirchen in der Bauerschaft Piekenbrock rechts und links der Kreisstraße 2 aus (Anlage 2).

 

In Regionalplänen werden für einen bestimmten Planungsraum und einen mittelfristigen Zeitraum Festlegungen als Ziele und Grundsätze der Raumordnung zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes getroffen. Diese Festlegungen haben bindende Wirkungen gegenüber öffentlichen Stellen in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bei ihren raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen, z.B. bei der Windkraftplanung der Gemeinde.

 

Ziele der Raumordnung sind dabei verbindliche Vorgaben, Grundsätze der Raumordnung sind Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- und Ermessensentscheidungen, d.h., sie sind in die planerische Abwägung einzustellen und können im Wege der Abwägung überwunden werden.

 

Nach Ziel 1.1 des Sachlichen Teilplanes Energie des Regionalplanes sind die dargestellten Windenergiebereiche Vorranggebiete nach dem Raumordnungsgesetz. Die Gemeinden können jedoch auch darüber hinaus auf der Ebene des Flächennutzungsplanes weitere Konzentrationszonen ausweisen.

 

Mit der Darstellung der Windenergiebereiche solle die Flächenpotenziale, die erforderlich sind, um die Zielsetzung des Landes zum Ausbau der Windenergienutzung im Rahmen der Energiewende umzusetzen, über verbindliche Ziele der Raumordnung durchgesetzt werden.

 

§ 1 Absatz 4 des BauGB fordert von der Gemeinde die Anpassung der eigenen Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung.

 

Dieser Vorgabe ist die Gemeinde Nordkirchen bisher nicht nachgekommen, was die Rechtssicherheit der bisherigen Konzentrations- und Ausschlussplanung durchaus anzweifeln lässt.

 

Die Verwaltung hat seit längerem vorgeschlagen, im Rahmen der Aufstellung eines sachlichen Teilflächennutzungsplanes „Windenergie" die Planung zu überarbeiten und auf eine aktuelle rechtliche Grundlage zu stellen, damit die Gefahr einer „Verspargelung der Landschaft" auch auf Dauer gebannt werden kann.

 

Ein Aufstellungsbeschluss zu diesem Änderungsverfahren wurde vom Rat der Gemeinde am 06.11.2014 gefasst.

 

In der nächsten Sitzung des Ausschusses kann ein aktueller Zwischenbericht zum Stand der Suche nach geeigneten Standorten vom Planungsbüro NWP gegeben werden.

 

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Aufstellung des Sachlichen

Teilflächennutzungsplanes „Windenergie" innerhalb kurzer Zeit abgeschlossen werden kann. Zur Sicherung der Planung sollte nach Auffassung der Verwaltung zunächst das Instrument der Zurückstellung des Baugesuches nach § 15 Absatz 3 des BauGB eingesetzt werden zur Erarbeitung der notwendigen Unterlagen in diesem Jahr.

 

Später ist eventuell auch eine Veränderungssperre nach dem Baugesetzbuch zur Sicherung der Planung möglich und erforderlich. Diese kann für den Bereich einer Vorrangzone durch Beschluss einer entsprechenden Gemeindesatzung erlassen werden.

 

Ihr Erlass setzt voraus, dass neben der Fortsetzung der Planung für den Flächennutzungsplan auch ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplanes, in diesem Fall für das „Windvorranggebiet Piekenbrock“ gefasst worden ist.

 

Der Bundesgesetzgeber hat die Länder mit einer Änderung des § 249 Absatz 3 des Baugesetzbuches ermächtigt, zur Erhöhung der Akzeptanz von Windkraftanlagen landesgesetzliche Mindestabstände von höchstens 1.000 Metern für Windenergieanlagen zu im Landesgesetz näher zu bezeichnenden Siedlungen bzw. Ansammlungen von Wohnhäusern festzulegen. Der Landesgesetzgeber hat das Ausführungsgesetz bisher nicht beschlossen.

 

Für die Beurteilung der Anträge der Firma Enertrag kann das folgende Landesgesetz keine Wirkung mehr haben, da es keine Rückwirkung hat.


Finanzielle Auswirkungen:

 

 

 

Keine

 

 

 

 

Ertrag / Einzahlung

 

 

 

 

Aufwand / Auszahlung

40.000,00

 

 

 

Verfügbare Mittel im Produkt / Budget

09 01 01

 

 

 

Über-/außerplanmäßig

 

 

 

 

 

Deckung im laufenden Haushaltsjahr durch

 

 

Anmerkungen: