Beschlussvorschlag:
Der Rat der Gemeinde Nordkirchen beschließt:
1.
Die Abwasserbeseitigungspflicht nach § 46 Abs. 1
Satz 1 Nr.2 LWG NRW (Sammeln und Fortleiten von Abwasser) wird gemäß § 52 Abs.
2 LWG NRW zum 01.01.2019 auf den Lippeverband übertragen.
2.
Der Dokumentation zum Übergang der Pflicht gemäß
§ 52 Abs. 2 LWG NRW in der Entwurfsfassung vom 11.09.2018 (Anlage zu dieser
Sitzungsvorlage) wird zugestimmt. Der Bürgermeister wird beauftragt, diesen
Rechtsakt abzuschließen.
3.
Über die Verwendung der zufließenden Geldmittel
entscheidet der Rat der Gemeinde. Vorrangig sind diese für die Schuldentilgung
einzusetzen.
Sachverhalt:
Begründung:
I.
Rechtliche Grundlagen
Die Aufgabe der Abwasserbeseitigung wird
bislang teilweise vom Lippeverband und teilweise von der Gemeinde wahrgenommen.
Diese Aufspaltung ist auf Bestimmungen des LWG NRW zurückzuführen. Danach sind
auf dem Gebiet von Wasserverbänden die Kommunen abwasserbeseitigungspflichtig
und für das Sammeln und Fortleiten des Abwassers verantwortlich. Der Verband
ist hingegen für die Übernahme, Behandlung und Einleitung des Abwassers
zuständig, § 53 Abs. 1 LWG NRW.
Seit der Novellierung des LWG NRW im Jahr
2016 enthält § 52 Abs. 2 LWG NRW die Ermächtigung, dass Kommunen die bei ihnen
liegende Abwasserbeseitigungspflicht (Sammeln und Fortleiten) vollständig auf
einen Wasserverband übertragen können, sofern der Verband zustimmt.
Mit der Aufgabenübertragung entledigt sich
die Gemeinde dieses Teil der Abwasserbeseitigungspflicht. Der Verband übernimmt
diese Pflicht und wird für die Abwasserbeseitigung von der jeweiligen
Grundstücksgrenze bis zur Einleitung in die Abwasserbehandlungsanlagen
verantwortlich.
Bei der Gemeinde verbleibt jedoch die
Verantwortung für die Erstellung des Abwasserbeseitigungskonzepts und damit die
Festlegung künftiger Investitionen. Zudem bleibt sie weiter zuständig für die Klärschlammabfuhr
aus Kleinkläranlagen und die Planung der abwassertechnischen Erschließung von
Grundstücken (§ 46 Abs. 1 Nr. 1, 5 und 6 LWG NRW).
Für die bei ihr verbliebenen Pflichten der
Abwasserbeseitigung erhebt die Gemeinde Gebühren weiterhin nach § 6 KAG NRW (§
54 Satz 1 Nr. 8 LWG NRW). Die Entwässerungsleistungen des Verbandes stellt
dieser der Gemeinde nach § 52 Abs. 2 Satz 8 LWG NRW als Beitrag in Rechnung.
Diesen Beitrag legt die Gemeinde nach § 7 KAG NRW auf die nach ihrer
Entwässerungssatzung Gebührenpflichtigen um, so dass insgesamt weiterhin
sämtliche Kosten der Abwasserbeseitigung im Gebührenwege von denjenigen zu
tragen sind, die sie auch bislang getragen haben.
II.
Anlass und Vollzug der Übertragung
Bislang hat die Gemeinde das Abwasser in
ihrem Kanalnetz gesammelt und dann zum Zweck der Abwasserbehandlung der
Kläranlage in Trägerschaft des Lippeverbandes zugeführt. Die Übertragung der
Abwasserbeseitigungsaufgabe führt dazu, dass die Gemeinde auch die
Verantwortung für das Sammeln und Fortleiten des Abwassers auf den Verband
überträgt. Das gilt ebenso für die Unterhaltung und Verkehrssicherungspflicht
für die Abwasseranlagen. Der Verband wird außerdem künftige Neuinvestitionen in
das Kanalisationsnetz tätigen, wobei er die wasserrechtlichen und technischen
Anforderungen im Rahmen seines Betriebs zu gewährleisten hat.
In Zukunft kann auf diese Weise die gesamte
Abwasserbeseitigung vom Sammeln und Fortleiten bis hin zur Abwasserbehandlung
und Einleitung aus einer Hand geleistet werden. Ein einheitlicher Betrieb
dieser Elemente der Abwasserbeseitigung ermöglicht eine effektivere Planung,
Steuerung und eine wirtschaftlichere Durchführung der Aufgabe im Rahmen eines
ganzheitlichen Systems. So werden zukünftig alle für die Abwasserbeseitigung
notwendigen Anlagen und Betriebseinheiten durch das gleiche Personal betrieben.
Der Lippeverband kann als Wasserverband auf einen größeren und fachlich
speziell ausgebildeten Personalbestand zurückgreifen, so dass insgesamt eine
effektivere und gleichmäßigere Aufgabenwahrnehmung gewährleistet wird. Zudem
verfügt der Verband in organisatorischer Sicht über größere Kapazitäten, die
neben einer rechtlich und technisch einwandfreien Aufgabenwahrnehmung spürbare
Synergieeffekte erwarten lassen.
Diese Vorteile bilden den Hintergrund, die
Aufgabe des Sammelns und Fortleitens von Abwasser an den Lippeverband zu
übertragen. Dieser bietet im Übrigen aufgrund seiner Rechtsform als
öffentlich-rechtliche Körperschaft die Gewähr der dauerhaften insolvenzsicheren
sowie gewinnunabhängigen Pflichterfüllung.
Die Übertragung betrifft zwei Gegenstände:
Zum einen wird die Aufgabe nach § 52 Abs. 2 LWG NRW übertragen. Zum
anderen soll zeitgleich auch das wirtschaftliche Eigentum an dem Kanalnetz und
den Betriebsanlagen auf den Verband übergehen. Das bedeutet, dass der
Lippeverband künftig die tatsächliche Verfügungsgewalt über diese Anlagen
ausüben wird, während die Gemeinde juristischer Eigentümer bleibt.
Für die Übertragung des wirtschaftlichen
Eigentums und der Aufgabe leistet der Lippeverband einen Ausgleichsbetrag.
Dieser setzt sich aus verschiedenen Beträgen zusammen, wodurch sowohl der
Substanzwert als auch der Ertragswert der Einrichtung abgegolten werden. Der
Substanzwert ist der Restwert des Bestandsvermögens (= Altanlagen der Gemeinde
im Zeitpunkt der Übergabe). Der Ertragswert wird dadurch bestimmt, dass die
Gemeinde während der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung über den Ansatz
kalkulatorischer Abschreibungen und Zinsen in der Gebührenbedarfsrechnung aus
dem Produkt Abwasser Überschüsse für den allgemeinen Haushalt erwirtschaften
kann. Diese Überschüsse als Ergebnisbeitrag im Ergebnishaushalt werden
abgezinst und in einer Summe im Zeitpunkt der Übertragung gezahlt. Die Gemeinde
wird wirtschaftlich so gestellt, als wenn sie weiterhin Überschüsse aus kalkulatorischen
Zinsen und Abschreibungen erwirtschaften könnte. Finanzielle Nachteile sind
demnach nicht zu erwarten. Vielmehr wird das in der Einrichtung festgesetzte
Vermögen realisiert und steht der Gemeinde mithin zur freien Verfügung.
Zusammengefasst ergeben sich folgende
Zahlungen des Lippeverbandes an die Gemeinde Nordkirchen:
Ausgleichsbetrag |
Summe |
Einmaliger
Ausgleichsbetrag 1 für die Übertragung der Vermögenswerte und der Aufgabe |
40 Millionen
Euro |
Ausgleichsbetrag
2 als laufende Zahlung kalkulatorischer AfA und Zinsen auf zukünftige
Neuinvestitionen des Verbandes |
jährliche
Ermittlung |
III.
Beteiligung anderer Behörden
Der Beschluss zur Übertragung muss von der
Gemeinde Nordkirchen gegenüber dem Kreis Coesfeld als zuständiger
Kommunalaufsichtsbehörde rechtzeitig angezeigt werden. Im Übrigen muss vor der
Übertragung ein Nachweis über den Investitionsbedarf zur Sanierung der dem
Kanalisationsnetz zugehörigen Abwasseranlagen und die zeitliche Abfolge
erstellt werden. Dieser Nachweis ist gegenüber der Bezirksregierung Münster
nach § 52 Abs. 2 S. 5 LWG NRW bereits angezeigt worden, die den Nachweis
innerhalb von 6 Monaten zurückweisen kann.
Der Verband muss für seine Zustimmung zur
Aufgabenübertragung die aufsichtsbehördliche Genehmigung des Ministeriums für
Umwelt, Landwirtschaft, Natur und Verbraucherschutz NRW einholen, § 52 Abs. 2
S. 6 LWG NRW.
IV.
Folgen für die Abwasserbeseitigung und deren Finanzierung
Die Kanalnetzübertragung darf und wird für
den Gebührenzahler nicht zu umstellungsbedingten Veränderungen führen.
Insbesondere in Sachen Abwassergebühr bleibt weiterhin die Gemeinde im
Verhältnis zum Bürger verantwortlich.
Die Gemeinde Nordkirchen wird dem
Lippeverband für die Wahrnehmung der Aufgabe Beiträge leisten. Die
Berechnungsgrundlagen für diesen verbandsrechtlichen Sonderbeitrag sind in der
Dokumentation der Rechte und Pflichten geregelt. Über diese Beiträge finanziert
der Lippeverband sämtliche Kosten, die ihm aus der Übernahme entstehen,
einschließlich der an die Gemeinde geleisteten Ausgleichsbeträge. Die Beiträge
können im Rahmen der jährlichen Abwassergebühr auf die Gebührenzahler umgelegt
werden, § 7 KAG NRW. In diese Gebühr fließen nach § 6 KAG NRW auch
die Kosten der Gemeinde Nordkirchen ein, die für die bei ihr verbliebenen und
nicht übertragbaren Aufgaben der Abwasserbeseitigung entstehen.
Kanalanschlussbeiträge werden zukünftig nicht
mehr erhoben werden können. Diese Möglichkeit entfällt, weil die Gemeinde nicht
mehr Trägerin der Einrichtung „Kanalnetz“ sein wird. Dieser Umstand hat jedoch
keinen Einfluss darauf, dass weiterhin der Anschluss- und Benutzungszwang
durchgesetzt werden kann. Die Grundstückseigentümer müssen weiterhin das
öffentliche Kanalnetz wie bislang nutzen und ihr Abwasser überlassen. Da keine
Kanalanschlussbeiträge mehr erhoben werden können, wird die Finanzierung der
Abwasserbeseitigung künftig ausschließlich über Gebühren erfolgen. Weil alle
altangeschlossenen Grundstückseigentümer jedoch in der Vergangenheit einen
Anschlussbeitrag leisten mussten, fordert die Rechtsprechung, dass diese
Altanschlussnehmer nach Umstellung des Finanzierungssystems über einen
vergünstigten Gebührensatz zu entlasten sind. Die Vergünstigung für
Altanschlussnehmer wird für die Restnutzungsdauer der beitragsfinanzierten
Altanlagen gewährt.
Insgesamt entsteht auf diese Weise keine
durch die Übertragung bedingte Gebührensteigerung. Dies ist ein zentrales Ziel
und gesetzliche Vorgabe im Rahmen der Kanalnetzübertragung. Der Verband ist
nach der Ausführungsvereinbarung zu einer wirtschaftlichen und sparsamen
Aufgabenerfüllung verpflichtet und beachtet im Hinblick auf den beitragsfähigen
Aufwand den Grundsatz des Ausschlusses systemumstellungsbedingter
Gebührenerhöhungen. Dass aus der Übertragung keine negativen
Gebührenveränderungen entstehen, wird durch regelmäßige Zusammenarbeit zwischen
Gemeinde und Verband sichergestellt.
Nordkirchen wird weiterhin Einfluss auf die
zukünftigen Investitionen haben, da die Gemeinde für die Erstellung des
Abwasserbeseitigungskonzepts zuständig bleibt. Das Konzept soll in enger
Absprache mit dem Verband erstellt werden. Die Gemeinde erlässt weiterhin die
Entwässerungssatzung und ist damit auch zuständig für die Befreiung vom
Anschluss- und Benutzungszwang. Ebenso verbleibt die Gebührenhoheit bei der
Gemeinde Nordkirchen.
Die Vereinbarung mit dem Lippeverband gilt
auf unbestimmte Dauer.
V.
Folgen für den Haushalt
Die Übertragung der Aufgabe und des
wirtschaftlichen Eigentums hat für Nordkirchen keine nachteiligen Auswirkungen.
Es werden sowohl der Substanzwert als auch der zukünftige Ertragswert der
Einrichtung durch die Ausgleichsbeträge des Verbandes ausgeglichen. Über den
Ausgleichsbetrag 2 wird zudem sichergestellt, dass die Gemeinde laufend auch in
Zukunft ergebniswirksame Beiträge aus der Abwasserbeseitigung für den
Ertragshaushalt erhält. Wirtschaftlich steht Nordkirchen somit so, als bliebe
sie selbst Trägerin der Einrichtung. Vorteilhaft ist hingegen, dass der
Substanzwert des Bestandvermögens realisiert wird und damit zur freien
Verfügung steht.
Die Gemeinde Nordkirchen erhält einen
sofortigen einmaligen Liquiditätszufluss in Höhe von 40 Mio. Euro, der frei
verfügbar ist. Das Eigenkapital wird deutlich gestärkt, die Verschuldung kann
beseitigt werden und durch den Wegfall der Zinsbelastung eine dauerhafte
Haushaltskonsolidierung ohne Gebührensteigerung erreicht werden.
Die Berechnung der Ausgleichsbeträge ist
unter Berücksichtigung rechtlicher Rahmenbedingungen erfolgt, die
gewährleisten, dass die Beträge dem Haushalt der Gemeinde zur vollen Verfügung
stehen.